Außerdem: Start von ThePioneer.de

15.05.2020
Guten Morgen Stefan Pfeiffer,
jedes Jahr um diese Zeit findet in meiner Nachbarschaft ein Straßenfest statt: Dieses Mal digital! In den Schaufenstern der Geschäfte hängen die Einladungen für das erstmals virtuelle Event. Was mir dabei bewusst wurde: Der Einzelhandel hat den Ruf, die Digitalisierung zu verschlafen. Doch das ist nicht korrekt, wie Sie in diesem Tech Briefing lesen werden.

1.) Analyse: Wie sich der Einzelhandel digitalisiert
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Ein Blumenladen in Berlin. Foto: Imago
Gut aufgestellte Industrieländer wie Deutschland erleben einen digitalen Stresstest. Dass Netzgiganten wie Amazon, Facebook und Google die großen Gewinner der Corona-Krise sind, liegt auf der Hand.

Aber auch analoge Händler und sogar Tante-Emma-Läden sind in den letzten Wochen und Monaten kreativ geworden. In vielen Ecken Deutschlands ist der Schreibwarenladen ins Netz gegangen. Der Kiosk von nebenan nimmt plötzlich elektronische Bestellungen entgegen.

Friseursalons, Kosmetiker oder Schneidereien verkaufen über ihre Webseite Gutscheine. Anbieter wie „giftup.app“ lassen Händler und Dienstleister digitale Coupons designen und ihren Kunden anbieten. Die Gutscheine werden per E-Mail verschicken, auf Facebook gepostet und neuerdings sogar direkt ins eigene Profil bei Whatsapp eingebunden. Da brauchen die Händler keine eigene Webseite.

These: Der Handel in Deutschland muss dringend digital nachholen.

Falsch!
Die deutschen Händler sind im Netz besser vertreten, als viele erwarten. Eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom zeigt: Lediglich jeder vierte Händler bietet seine Produkte ausschließlich stationär an. Der größte Teil mit 66 Prozent verkauft online und offline.
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These: Im Netz verdient der Einzelhandel nur wenig Geld.

Falsch!
Bei sehr vielen Händlern machen die Online-Umsätze fast die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. Bereits 2018 haben 37 Prozent der befragten Händler zwischen zehn und 30 Prozent des Umsatzes digital erwirtschaftet. Weitere 41 Prozent haben sogar bis zu 50 Prozent online umgesetzt. Die digitalen Vertriebswege sind eine relevante Umsatzgröße.
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Die Corona-Pandemie gilt als Katalysator für die Digitalisierung des Handels. Doch so einfach ist das nicht. Ein differenzierter Blick ist nötig.

These: Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass die Deutschen deutlich mehr online einkaufen.

Falsch!
Bitkom hat in einer weiteren Umfrage unter mehr als 1000 Konsumenten ermittelt, wie sich ihr Online-Einkaufsverhalten seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland verändert hat.

Nur jeder Fünfte gab an, mehr im Internet zu bestellen. Die Mehrheit (27 Prozent) kauft genauso viel im Internet wie vorher. 22 Prozent kaufen nach wie vor ausschließlich im Geschäft ein.
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Wir lernen auch:

► Jeder Zweite geht davon aus, dass der Online-Handel in Zeiten der Corona-Krise eine zentrale Versorgungsfunktion einnimmt.

► Eindeutiger fällt der Wunsch aus, Händler aus der Nachbarschaft digital zu unterstützen. 66 Prozent haben während der Corona-Pandemie bei ihrem lokalen Einzelhändler eingekauft. Sie bleiben treu.

► Entsprechend weit oben auf der Wunschliste der Kunden: Dass regionale Händler ohne Netz-Präsenz jetzt nachrüsten.
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Im aktuellen Tech Briefing Podcast hören Sie die Geschichten von zwei Dienstleistern, die während der Corona-Krise ihr Geschäft auf das Netz ausgerichtet haben.

► Martin Block ist Küchenchef beim Szene-Restaurant „Die fette Kuh“. Seit Jahren locken seine Premium-Burger viele Gäste an die Bonner Straße in Köln. Das Schließen des Restaurants war für die Mitarbeiter ein Schock.

Nach einer kurzen Starre starteten sie einen Lieferdienst. Sie wurden von den Kunden überrollt. Der Umsatz ist zwar nicht mit einem Tag im Restaurant vergleichbar, aber immerhin kann „die fette Kuh“ alle 40 Mitarbeiter und die Lieferanten bezahlen. Externe Hilfen mussten sie bisher nicht beantragen, so Martin Block:
Der Start des Lieferdienstes hatte viel Gutes. Wir haben uns von vielen alten Zöpfen getrennt. Im Team gab es auf einmal eine richtige Start-up-Atmosphäre. Wir haben uns neu erfunden.“
Martin Block und seine Kollegen wollen weiter experimentieren: Über ihren Online-Shop bieten sie Grill-Pakete für zu Hause an. In Videos zeigt Chefkoch Block, wie der Burger perfekt selbst zubereitet wird. 

► Aron Ulbrich ist der Gründer der Munich Wine Rebels. Seit einigen Jahren lädt er zu gefragten Weinproben ein. Mit der Corona-Pandemie sind die Munich Wine Rebels auf Video-Konferenzen umgestiegen. Zu Beginn der Corona-Pandemie brach die Auftragslage ein, mittlerweile läuft es aber sogar besser als zuvor. Ein Faktor: Die Kunden kommen nicht mehr nur aus München, sondern können sich von überall zuschalten. Die Erfahrungen haben Aron Ulbrich Mut gemacht:
Die Online-Welt verzeiht stärker Fehler. Sie gibt Raum für Experimente. Viele Fixkosten fallen nicht an. Existenziell bedrohlich wird es nicht für die, die sich jetzt im Netz engagieren. Existenziell bedrohlich wird es für die, die sich dem Online-Geschäft verschließen.“
Die kompletten Gespräche hören Sie im aktuellen Tech Briefing Podcast (bei Apple Podcasts, Spotify, Deezer oder direkt auf ThePioneer.de), der an einem ganz besonderen Ort entstanden ist.
 
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2.) Die PioneerOne ist auf dem Weg nach Berlin
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ThePioneerOne im Hafen von Münster. Foto: Marco Urban
In dieser Woche ist das Tech Briefing an Bord unseres neuen Redaktionsschiffes ThePioneerOne entstanden. Los ging es in der Lux-Werft in Mondorf bei Bonn. Das Ziel: Berlin! Parallel dazu ist ebenfalls unsere neue Homepage thePioneer.de gestartet.

Das ist nicht nur die neue Heimat für das Tech Briefing, sondern auch für Gabor Steingarts Morning Briefing, dem neuen Hauptstadt Briefing von Michael Bröcker und Gordon Repinski und den weiteren Formaten von ThePioneer.

Wenn Sie unseren Journalismus ermöglichen möchten, haben Sie ab sofort die Möglichkeit dazu: Schon ab zehn Euro pro Monat können Sie Pioneer werden und erhalten Zugriff auf alle Inhalte, können unsere Infografiken aus einem Archiv für eigene Präsentationen recherchieren und herunterladen. Und: Sie können an Events —wenn diese wieder möglich sind— auf unserem Redaktionsschiff teilnehmen.

Einen Einblick in unsere Redaktion auf der Spree gibt Ihnen meine Kollegin Chelsea Spieker in diesem Youtube-Video.
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Richard Gutjahr (links) und Daniel Fiene auf dem Deck der ThePioneerOne. Foto: Marco Urban
 
…
In dieser Woche ausgewählt vom Journalisten Richard Gutjahr:

Gutjahrs Highlight der Woche: Das sind alle Unternehmer —ob selbstständig, Mittelständler oder Weltkonzerne— die diese Zeit jetzt nutzen, um sich weiterzuentwickeln, sich neu zu erfinden. Klar, das klappt nicht immer, aber der Versuch zählt. Wenn wir uns gegenseitig helfen, können wir alle mehr, als wir denken.

Gutjahrs Lowlight der Woche: Das sind alle Krisen-Schmarotzer, die jetzt vom Staat gerettet werden wollen, obwohl sie schon vor Corona Probleme hatten. Allen voran viele Autobauer, die jahrzehntelang gelogen, betrogen und die Verantwortung für unsere Klimaprobleme weit von sich geschoben haben und jetzt auch noch so dreist sind, eine neue Abwrackprämie für ihre „sauberen Diesel“ verlangen und die vereinbarten Klimaschutzauflagen aufweichen wollen, um ihre Verluste auszugleichen.

Neu auf Gutjahrs Bildschirm: Quibi. Das Streaming-Projekt von Ex-Disney-Boss Bob Eisner und der ehemaligen Ebay-Chefin Maggie Whitman. Die beiden Milliardäre sind offensichtlich gelangweilt. Sie wollen es als Rentner noch einmal wissen und haben knapp zwei Milliarden zusammengekratzt, um eine Art Netflix fürs Smartphone aus dem Boden zu stampfen. Die App ist seit gut einem Monat auf dem Markt. Die ersten drei Monate sind kostenlos. Danach kostet das Monats-Abo 4,99 US-Dollar mit oder wahlweise 7,99 US-Dollar ohne Werbung. Die eigenproduzierten Serien sind in kurze Sieben-Minuten-Kapitel unterteilt, sodass man sie gut auf einer Bus- oder U-Bahnfahrt auf dem Weg ins Büro gucken kann. Die Serien sind durchschnittlich, aber: Die Technik hinter Quibi ist faszinierend. Man kann die Serien hochkant oder horizontal gucken. Die Inhalte passen sich an das jeweilige Format an. Inklusive Titelgrafiken und anderen Elementen. Die Navigation ist sogar angepasst für Links oder Rechtshänder. Das ist stark!

Gutjahrs Streaming-Tipp der Woche: Die neue Amazon-Auftragsproduktion „Upload“ stammt aus der Feder von Greg Daniels. Der hat mit „The Office“ einen Welthit geschrieben, also das, was wir hier in Deutschland als „Stromberg“ kennen. Daniels hat parallel zu „Upload“ übrigens eine zweite SciFi-Serie in Arbeit — ausgerechnet für den Amazon-Konkurrenten „Netflix“. Worum geht es aber in „Upload“? In naher Zukunft (2033) werden wir Menschen ewig leben, indem wir, wenn wir sterben, unsere Seele auf einen Server hochladen. Das Witzige an dieser Sci-Fi-Comedy: Jede Episode ist gespickt mit Referenzen auf Firmen, die es wirklich gibt. Apple, Verizon, Taco Bell - nur eine Firma nicht: Facebook, die wurde geschluckt von der amerikanischen Bäckerei-Kette namens Panera. Die Serie ist albern, gleitet oft ab in Klamauk, hat aber gute Momente und ist sehr kurzweilig. Pflicht für alle Black-Mirror-Fans.

Gutjahrs Lesetipp der Woche: Der Brief des SZ-Digitalstrategen Dirk von Gehlen an alle diejenigen, die auf Hygienedemos gehen und sich von sehr fragwürdigen Wortführern wie dem Vegankoch Attila Hildmann oder Ken Jebsen für ihre Zwecke einspannen lassen. Dirk versucht es mit Verständnis, erklärt nicht alle Demonstranten pauschal zu Nazis, sondern appelliert an den gesunden Menschenverstand der Leute. Er findet genau die richtige Tonalität und Sprache, die es braucht, um diese verunsicherten Massen zu erreichen. Ich wünschte, dass mehr Medienmenschen aber auch Politikern eine solche heikle, aber rhetorisch hervorragend gelöste Gratwanderung gelänge.
 
Welche Online-Erwartungen haben Sie an den Händler in Ihrer Nachbarschaft? Schreiben Sie mir via Linkedin, Twitter oder direkt an techbriefing@mediapioneer.com.

Die nächste Ausgabe des Tech Briefings erscheint am kommenden Donnerstag.

Bleiben Sie gesund
Ihr

Daniel Fiene
ThePioneer Redakteur
 
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